Grenzschließungen, Bundeswehr im Innern, faktische Aussetzung von grundlegenden Menschenrechten wie dem Recht auf Asyl, Ausgangssperren, Kontaktverbot … Von den staatlichen Versuche, die globale Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen, hätten wahrscheinlich auch die härtesten Fans von law & order vor einigen Monaten noch nicht zu träumen gewagt. Aus emanzipatorischer Sicht sind viele dieser Einschränkungen zwar eine medizinische Notwendigkeit, auch wenn sie dem Anspruch, wirklich alle Menschen bestmöglich vor einer Infektion zu schützen, trotzdem nicht gerecht werden (https://contre.rosenheim.social/corona-medientipp-3-linke-positionen-zur-corona-krise/). Einige der Maßnahmen sind jedoch eine zu kritisierende menschenrechtliche, gesundheitliche und politische Katastrophe. Auch deshalb sind Kampagnen wie #LeaveNoOneBehind gerade so wichtig (https://contre.rosenheim.social/medientipps-in-zeiten-von-social-distancing-teil-1-leavenoonebehind/). Bei aller begründeten Skepsis gegenüber dem bürgerlichen Staat und seiner autoritären Politik, empfinden wir es als bedrohlich, wie die Verbreitung von Sars-CoV-2 von Anfang an durch viele Verschwörungsmythen (https://www.rnd.de/panorama/5-corona-verschworungstheorien-und-ihre-widerlegung-JLA5AH3FB5C7PF7EPJD36RJOD4.html) begleitet wird. Hier wird vermeintlich Kritik geübt, doch in Wirklichkeit werden meist komplexe Zusammenhänge auf das Wirken einzelner Personen oder Gruppen reduziert. Ihre einfachen Erklärungen funktionieren im Endeffekt meist darüber, einen angeblichen Sündenbock zu benennen – oft Minderheiten, die rassistisch oder antisemitisch diskriminiert werden. Diese Verschwörungslegenden, wie sie auch in Rosenheim auf Aushängen und Flugblättern verbreitet werden, haben jedoch nichts mit kritischem Denken zu tun. Es ist wichtig, eine klare Grenze zu ziehen und rechten Hetzern keinen Millimeter Platz zuzugestehen, scheißegal ob Neonazis, AfD Rassist*innen oder verschwurbelt-meditierende Eso-Freaks.
Archiv des Autors: contrelatristesse
Zur mutmaßlich rassistischen Brandstiftung in Waldkraiburg: Den Betroffenen eine Bühne geben!
@ozgkle_ via instagram
„…Mir fehlen die Worte, in diesem Fall ist meine eigene Familie Opfer eines Brandes geworden. Heute Nacht um 03:30 Uhr wurde der „türkische“ Gemüse- und Obstladen meines Onkels in Brand gesteckt. Mit der Message „Ausländer raus“. Eine Nachricht, welche wir nicht realisieren können. Wir müssen einsehen, dass Rechtsextremismus die größte Gefahr für jeden einzelnen von uns ist. Einige Tage vor dem Brand wurde zuvor ein TÜRKISCHES Restaurant sowie ein Friseurladen Opfer von Scheibenbrüchen und Belästigungen (…) Schaut nicht weg, lasst uns zusammen ein Zeichen setzen (…) Remember Hanau And all the others!“
Gestern haben wir die Meldung Waldkraiburg: Brandstiftung aus rassistischen Motiven? veröffentlicht. Wir schrieben, es sei eine notwendige Schlussfolgerung, die wir aus dem rechten Terror der letzten Jahrzehnte gezogen haben, bei allen Anschlägen gegen rassistisch markierte Personen von einem rechten Motiv auszugehen, solange nicht das Gegenteil bewiesen wird. Eine weitere Lehre aus dem NSU-Komplex ist es, die Betroffenen nicht mehr allein kämpfen zu lassen, sondern sich an ihre Seite zu stellen. „Selbst wenn es keine unmittelbaren Ermittlungen gegen sie gibt, wie es bei den Angehörigen der NSU-Mordopfer der Fall war, lassen es sich Medien und Polizei häufig nicht nehmen, dennoch diskreditierende Gerüchte zu streuen. Dagegen können wir etwas tun, indem wir ihnen eine Bühne bieten, ihre Geschichten und ihre Forderungen hören und weiterverbreiten. Es können Statements geschrieben, Demos und Veranstaltungen organisiert, Öffentlichkeit geschaffen werden“ heißt es in dem Thesenpapier „Name it, face it! Rechten Terror bekämpfen!
Wir haben versucht Statements von Betroffenen und Angehörigen zu finden und möchten diese hier zu Wort kommen lassen, ihnen eine Bühne bieten. Diese Sammlung ist sicher nicht vollständig – ihr könnt uns gerne weitere Statements zukommen lassen.
Waldkraiburg: Brandstiftung aus rassistischen Motiven?
In der Nacht zum Montag (27.04.20 – ca. 3:30 Uhr) ist ein Obst- und Gemüseladen in der AfD Hochburg (1) Waldkraiburg (ca. 50 km von Rosenheim entfernt) niedergebrannt. Da es in den letzten Wochen zu mehreren Sachbeschädigungen an weiteren türkischen Geschäften kam, vermutet der Inhaber Hüseyin A. Brandstiftung aus rassistischen Motiven. Bei dem Brand wurden 6 Personen durch Rauchgase verletzt.
In den meisten Berichten wird die Möglichkeit eines rechten Anschlags nicht thematisiert und auch in der Lokalzeitung wird von „wilden Spekulationen“ gesprochen, obwohl es gute Gründe für diese These gibt: „Der Inhaber des Lebensmittelgeschäfts, der seit 15 Jahren Obst, Gemüse und Fleisch verkauft, glaubt nicht an einen technischen Defekt. „Wir kochen nicht, wir haben keinen Herd, nicht einmal die Kühlung ist im Moment an. Wir haben nichts im Laden, was ein solches Feuer auslösen könnte.“ Er geht davon aus, dass der Brand gelegt wurde, und stellt einen Zusammenhang her zu Sachbeschädigungen an zwei weiteren Geschäften türkischer, beziehungsweise türkischstämmiger Betreiber in den vergangenen drei Wochen.“(https://www.ovb-online.de/muehldorf/grossfeuer-waldkraiburger-geschaeftszeile-ladeninhaber-glaubt-brandstiftung-13718951.html)
Auch auf Twitter gibt es mehrere Beiträge, die von rechten Angriffen in jüngster Vergangenheit berichten. So heißt es zum Beispiel: „Nachdem vor dem Ladengeschäft und einer naheliegenden Pizzeria in türkischer Hand Hakenkreuze vor die Geschäfte geschmiert wurden“ (https://twitter.com/JoschakDieLinke/status/1254861204876439557) oder „Erst wurde der türkische Supermarkt mit „AUSLÄNDER RAUS“ markiert, dann gestern in Brand gesetzt. Natürlich spricht die Berichterstattung nur über einen Brand.“ (https://twitter.com/der_neukoellner/status/1255047790654304256)
Solange nicht das Gegenteil bewiesen wird, gehen wir bei dieser Tat, wie bei jedem weiteren Anschlag gegen rassistisch markierte Personen von einem rassistischen Motiv aus.
Das ist eine notwendige Schlussfolgerung, die wir aus dem rechten Terror der letzten Jahrzehnte gezogen haben. Beeinflusst sind wir hier von einer Debatte innerhalb der antifaschistischen Bewegung, welche das eigene Versagen im NSU-Komplex thematisiert. Ein Output davon ist u.a. das Thesenpaier „Name it, face it! Rechten Terror bekämpfen! (https://irgendwoindeutschland.org/rechterterror/)
(1) Bei der Bundestagswahl 2017wählten 19,9 Prozent der Waldkraiburger_innen die AfD, bei der Landtagswahl 2018 waren es 19,2 Prozent