In Bad Aibling gab es eine Serie mit mindestens drei Bränden gegen die örtliche Geflüchtetenunterkunft. Am Freitag (14.8.2020) hat die Polizei den Täter, einen 59 jährigen Bad Aiblinger gefasst, sieht jedoch kein politisches Motiv. Contre la tristesse fordert: Betroffenenperspektive ernst nehmen.
In Bad Aibling gab es wieder Brandanschläge auf eine Geflüchtetenunterkunft. Bereits im September 2015 [1] versuchten Unbekannte, unter dem Bodenfundament der Container ein Feuer zu entfachen, um so den für den nächsten Tag geplanten Ersteinzug von Geflüchteten zu verhindern [2]. In den letzten Monaten gab es eine erneute Brandserie mit mindestens drei Bränden in einer anderen Geflüchtetenunterkunft in Bad Aibling:
So, 30.12.2019 – ca. 3:00 Uhr – Bewohner*innen bemerken, dass ein vor dem Gebäude stehendes Sofa brennt. Die Bewohner*innen können den Brand selbst löschen.[3]
Do, 23.07.2020 – kurz nach Mitternacht – Bewohner*innen bemerken ein Feuer im Bereich eines gekippten Fensters an der Küche. Den Bewohnern*innen gelingt es, durch beherztes Eingreifen die Flammen selbst zu löschen.
Do, 13.08.2020 – ca. 03:00 – Feuer an der Eingangstüre und an einem Fensterbrett in einem leerstehenden Ladengeschäft bei der Unterkunft. Vermutlich erlosch das Feuer von selbst.
Diese drei Fälle wurden von der Polizei in der heutigen Pressemitteilung [4] veröffentlicht. Bei unserer kurzen Internetrecherche sind wir auf zwei weitere Berichte über nächtliche Brandfälle in Aiblinger Unterkünften gestoßen. Wir wissen derzeit nicht, ob diese direkt mit der Brandserie in Verbindung stehen. [5]
Laut Polizei konnte am Freitag ein 59-jähriger Mann aus Bad Aibling als Tatverdächtiger festgenommen werden. Die zuständige Staatsanwaltschaft erwirkte einen Haftbefehl unter anderem wegen versuchter schwerer Brandstiftung und der Verdächtige wurde am Samstag in eine Justizvollzugsanstalt verbracht. Verwundert zeigen sich antifaschistische Aktivistinnen über die Einschätzung der Polizei, dass es „keinerlei Hinweise auf ein politisches Motiv“ gäbe [6]. Dazu die lokale Gruppe contre la tristesse: „Wir kennen die Ermittlungsergebnisse der Polizei nicht, aber für uns ist eine notwendige Schlussfolgerung, die wir aus dem rechten Terror der letzten Jahrzehnte gezogen haben, bei allen Anschlägen gegen rassistisch markierte Personen von einem rechten Motiv auszugehen, solange nicht das Gegenteil bewiesen wird. Fakt ist, die Brandanschläge und die damit verbundenen Viktimisierungen können, unabhängig von den Tätermotiven, erhebliche Folgen für die Betroffenen haben. Unser Meinung nach ist es wichtig, solidarisch auf Seiten der Betroffenen zu stehen und ihre Perspektive ernst zu nehmen.“ Die Gruppe betont zudem, dass es in Bad Aibling seit Jahren immer wieder zu rechter Hetze, rechten Sprühereien, aber auch Übergriffen kam. Auch der lokale AfD Politiker Andreas Winhart beteiligte sich immer wieder an der rassistischen Hetze gegen die Unterkunfte und ihre Bewohnerinnen [7]. Diese rechten Aktivitäten haben womöglich das Ziel Bad Aibling als ihr vermeintliches Revier zu markieren – mit einer entsprechenden Wirkung auf potenzielle Opfer rechter Übergriffe. „Schon allein aus diesem Grund“ ist es für contre la tristesse „wichtig, rechten Aktivitäten immer entschlossen entgegenzutreten“.
Anhang: eine unvollständige Chronik rechter Aktivitäten aus den letzten Jahren, welche von der Antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e. V. (a.i.d.a.) dokumentiert wurden:
3. November 2019
Bad Aibling (Lkr. Rosenheim). Gegen 16.00 Uhr pöbelt ein 29-Jähriger, der noch mit zwei anderen unterwegs ist, mehrere aus Eritrea stammende Männer an, die sich zu diesem Zeitpunkt an einem Fahrkartenautomaten am Bahnhof aufhalten. Wenig später tritt der 29-Jährige einen 21-Jährigen aus der eritreischen Gruppe und schlägt ihm eine Bierflasche gegen den Kopf. Die dreiköpfige Gruppe des Angreifers ruft dabei, Zitat Polizei, „fremdenfeindliche Begriffe“, einer zeigt den Hitlergruß.
Als die Polizei anrückt, sind die Täter nicht mehr vor Ort. Die Beamt_innen finden jedoch den Geldbeutel des 29-Jährigen, den dieser offenbar am Tatort verloren hatte. Darin befindet sich auch sein Ausweis. Wenig später kommt der Bad Aiblinger schließlich zum Bahnhof zurück, wohl um sein Portemonnaie zu suchen. Daraufhin wird er festgenommen. Ein durchgeführter Alkoholtest ergibt einen hohen Atemalkoholwert.
Der verletzte 21-Jährige muss aufgrund einer Platzwunde vorübergehend im Klinikum Bad Aibling ärztlich versorgt werden. Gegen den 29-Jährigen wird wegen gefährlicher Körperverletzung, Volksverhetzung sowie wegen „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ und Beleidigung ermittelt. Quelle: Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd vom 4. November 2019. → https://www.aida-archiv.de/chronologie/3-november-2019-3/
29. Juli 2018
Bad Aibling (Lkr. Rosenheim). In der Zeit vor dem 29. Juli 2018 hinterlassen Unbekannte am Bahnhof auf einer Länge von mehreren Metern neonazistische Graffiti-Parolen. In der Unterführung bringen sie die Sätze: „Ursula Haverbeck 90 Jahre – 2 Jahre Haft für eine Meinung“ und „Ausländer tötet Familienvater Tom K. – 2 Jahre auf Bewährung“ sowie den Slogan „Willkommen im RechtSStaat“ an Wände an. Die Buchstaben „SS“ sind im Stil von Doppelsigrunen geschmiert. Außerdem sprühen sie die Parole „Ganz Deutschland hasst die BRD!“ an das Bahnhofsgebäude. → https://www.aida-archiv.de/chronologie/29-juli-2020-2/
27./28. Mai 2017
Bad Aibling (Lkr. Rosenheim). Über das Wochenende hinterlassen Unbekannte mehrere, zum Teil nach §86a StGB verbotene, Graffitis im Stadtgebiet: auf das Stromhäuschen in der Friedrich-Wilhelm-Raiffeisenstraße sprühen sie ein Hakenkreuz sowie einen Schriftzug gegen die Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die selben Schmierereien finden sich auch auf einem Großwerbeplakat in der Lindenstraße/ Ecke Prof.-Kurt-Huber-Straße. Außerdem bringen sie ebenso an einem Gebäude am Bahnhof „politische Schmierereien“ an. → https://www.aida-archiv.de/chronologie/27-28-mai-2017/
9./10. November 2015
Bad Aibling (Lkr. Rosenheim). Am Jahrestag der Pogromnacht von 1938, in der Nacht von Montag, 9. November 2015, auf Dienstag, 10. November 2015, sprühen Unbekannte ein großes, antisemitisches Graffiti auf eine Wand am Bahnhof: „Asyl is part of our Death! JEWS KILL GERMANY SINCE 1933“ (Schreibweise im Original). Auf die selbe Wand war in der Nacht vom 22. auf den 23. Oktober 2015 bereits „Opa war in Ordnung“ und ein Hakenkreuz geschmiert worden. → https://www.aida-archiv.de/chronologie/9-10-november-2015/
23. Oktober 2015
Bad Aibling (Lkr. Rosenheim). Unbekannte sprühen in der Nacht von Donnerstag, 22. Oktober 2015, auf Freitag, 23. Oktober 2015, an eine Hauswand am Bahnhof ein Hakenkreuz sowie die NS-verherrlichende Parole „Opa war in Ordnung“. → https://www.aida-archiv.de/chronologie/23-oktober-2015-03/
[1] In der Nacht von Donnerstag, 17. September 2015, auf Freitag, 18. September 2015
[2] Vgl. https://www.sueddeutsche.de/bayern/bad-aibling-versuchter-brandanschlag-auf-fluechtlingsunterkunft-1.2654496; update1 / Klarstellung: Die Containerunterkunft war nicht Ziel der neuen Brandserie
[3] Hierzu gibt es auch eine Pressemeldung: https://www.ovb-online.de/weltspiegel/bayern/brennendes-sofa-asylunterkunft-aibling-stellt-polizei-raetsel-13414541.html
[4] Vgl. https://www.polizei.bayern.de/news/presse/aktuell/index.html/317590
[5] Diese drei Fälle wurden in der von Polizei veröffentlichten Pressemitteilung mitgeteilt. Bei unserer kurzen Internetrecherche sind wir auf weitere nächtliche Brandfälle in der Aiblinger Geflüchtetenunterkunft gestoßen. Wir wissen derzeit nicht ob diese direkt mit der Brandserie in Verbindung stehen,
03.01.20 – ca. 03:00 Uhr „In den frühen Morgenstunden wurden die Feuerwehren Bad Aibling und Harthausen zu einem Brandmeldealarm in die Asyluntekunft in der Krankenhausstraße alarmiert“. (…)“dass es offenbar ein kleines Feuer gegeben hatte im Bereich der Küche, was allerdings von den Bewohnern selbst gelöscht wurde.“
Quelle: https://www.feuerwehr-bad-aibling.de/post/brandalarm-in-asylunterkunft
30.01.20- ca. 3:50 „In einem Waschraum einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende in Bad Aibling ist am frühen Donnerstagmorgen ein Kinderwagen in Flammen aufgegangen. Nach Angaben der Polizei bemerkten gegen 3.50 Uhr die Bewohner der Unterkunft in der Krankenhausstraße das Feuer und konnten es selbst löschen“.
[6] In der Pressemeldung der Polizei heißt es: „Die bisherigen Ermittlungen der Kriminalpolizei erbrachten keinerlei Hinweise auf ein politisches Motiv“. update II: Im OVB vom 19.08.20 (S.9) heißt es: „Hinweise auf ein fremdenfeindliches Motiv gibt es laut Kriminalpolizei nicht. ‚Das Motiv geht wohl eher in eine persönliche Richtung‘, sagte ein Polizeisprecher auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen.“
[7] Am 30. September 2018 reproduzierte Winhart bei einem Wahlkampfauftritt mit Alice Weidel in Bad Aibling rassistische Stereotype indem er behauptete Albaner und Kosovaren würden als mobile Pflegekräfte „die Bude ausräumen“ und durch Asylbewerber sei es zu weit mehr Fällen von HIV, Krätze und Tuberkulose im Landkreis gekommen. Er forderte unter Applaus: „Ich möchte wissen, wenn mich in der Nachbarschaft ein Neger anküsst oder anhustet, dann muss ich wissen, ist er krank oder ist er nicht krank.“ In der Rede gab es auch einen indirekten Mordaufruf und antisemistische Verschwörungstheorien zu hören. So hetzte er, die Wahl der AfD biete die Chance, „die Soros-Flotte mit den ganzen Rettungsbooten im Mittelmeer zu versenken“. Winhart hetzte auch immer wieder direkt gegen die Aiblinger Unterkunft.